Die Preisträger*innen des Kunstwettbewerbs 2023

16. September 2023

Fata Morgana, Skyline der New Administrative Capital, 2022

Mehr als 300 Einsendungen erreichten uns bei unserem diesjährigen Kunstwettbewerb. Die Qualität dieser Beiträge war beeindruckend, und so hatten die drei Jurys in den Kategorien Foto, Film und Collage es wahrlich schwer ihre Favorit*innen auszuwählen. Mit Stolz präsentieren wir euch hier die Gewinner*innen und ihre beeindruckenden Werke.

Alle Arbeiten sind live und in Farbe vom 29. September bis zum 14. November im Foyer des FMP1 zu sehen. Die Ausstellungseröffnung mit feierlicher Preisverleihung findet ebenfalls dort statt. Ihr seid herzlich eingeladen, vorbeizuschauen.

Das diesjährige Motto, entnommen aus dem Band „Die Kunst ist in Gefahr“ von George Grosz und Wieland Herzfelde, 1925 erschienen im Malik Verlag, lautete „die Wirklichkeit, ach, sie ist häßlich, ihr Getöse stört den zarten Organismus unserer harmonischen Seelen.“.

Nehmt Zeitungen, nehmt Scheren -Preis

1. Preis

Der erste Preis in der Kategorie Collage geht an Maryna Shtanko. Das Preisgeld beträgt 2.000€. Shtanko kam im März 2022 nach Deutschland, wie viele andere aus der Ukraine. Obwohl sie in Sicherheit war, spürte sie die andauernde Unruhe angesichts des russischen Angriffskrieges gegen ihr Heimatland. In Deutschland dokumentierte sie das Leben der vertriebenen Ukrainer in Altenburg, indem sie ihre Fotos in künstlerischer Weise bearbeitete, um die emotionale Zerrissenheit der Menschen darzustellen, die sich zwischen Sicherheit im Ausland und den Gedanken an ihr Heimatland befinden. Diese Darstellung wurde durch traditionelle Stickereien, ein wichtiger kultureller Ausdruck in der Ukraine, ergänzt.

2. Preis

Der zweite Platz und 1.600€ gehen an Anas Kahal für seine Arbeit Al Haggar. Die Bildserie entstanden 2022 und thematisiert den tiefgreifenden Verlust eines Sohnes im Syrienkrieg. Basierend auf verschiedenen Videos aus unterschiedlichen Jahren des Konflikts, zeigt sie eindringlich den Moment der Trauer und Verzweiflung von Müttern, die um ihre Söhne trauern. Durch die prägnante Bildsequenz auf Papier vermittelt die Serie eine bleibende Erschütterung und Schockstarre, was im Titel „al Haggar“ (dt. der Stein) reflektiert wird.

3. Preis

Drittplatzierter des Collagewettbewerbs ist Laslo Antal. Er erhält 1.400€ von uns. Mit seinem Projekt „Faces of anxiety“ stellt er die Fragen zu Identität, zu dem, was mit Intimität geschieht, wenn sie in der Öffentlichkeit geteilt wird, zur Unbeständigkeit der Erinnerung und zur Rolle des Künstlers bei der Verarbeitung und Heilung psychologischer Wunden.

 

Foto als Waffe -Preis

1. Preis

Den ersten Preis in der Kategorie Fotografie konnte Massimiliano Corteselli erringen. Sein Preisgeld beträgt 1.450€. Mit der Serie  „Contrapasso“ verbindet er Dantes Inferno mit den jährlichen Waldbränden im Mittelmeerraum. Diese Brände, oft durch menschliche Aktivitäten verursacht, verwandeln einst fruchtbare Gebiete in bedrohte Regionen, insbesondere für sozial Schwache und wirtschaftlich Benachteiligte. Die Brände spiegeln die Idee des Contrapasso wider, da sie eine Art göttliche Bestrafung für unsere Taten darstellen. In einer komplexen, globalisierten Welt müssen wir über die zyklische Kausalität unserer Handlungen nachdenken, da Ursache und Wirkung nicht immer klar ersichtlich sind.

 

2. Preis

Die Jury hat sich in diesem Jahr für drei zweite Plätze entschieden. Benjamin Sauer, Gerd Waliszewski und Patricia Morosan erhalten jeweils 850€ Preisgeld.

„You, The Living“, das Projekt von Patricia Morosan, hinterfragt Geschlechtskonzepte und identifiziert Geschlechtsidentität als soziales Konstrukt. Es betont das Recht auf körperliche Selbstbestimmung und Selbstermächtigung. Die Mikrodosierung von Hormonen wird von Louka L., einer nicht-binären Person, genutzt, um subtil eine Veränderung ihres von Geburt an weiblichen Körpers in Richtung Männlichkeit zu erreichen. Das Projekt dokumentiert diese Transformation, betont den Widerstand gegen traditionelle Geschlechtsnormen und hebt die emotionalen Aspekte des Selbstmedikationsprozesses hervor.

Über anderthalb Jahre hinweg hat Benjamin Sauer die Arbeitsumgebungen und Menschen in verschiedenen Berliner Behörden fotografisch festgehalten. Die Bilder spiegeln das Gefühl wider, dass einen in Verwaltungsgebäuden durchzieht: Das Versteckte, kleine, zerbrechliche des Menschlichen, das sich inmitten von Ressourcenknappheit und genormter Verwaltungsstruktur behaupten muss.

Das Dokumentarprojekt „Between the Sirens“ von Gerd Waliszewski beleuchtet das Leben junger Ukrainer*innen während des russischen Überfalls auf ihr Land. Es veranschaulicht die stetigen Veränderungen in Leben, Lebensweise und Lebensgefühl der jungen Generation in dieser realen Dystopie und gewährt Einblicke in eine Generation, die täglich mit der Fragilität ihres Lebens und der Unbeständigkeit ihrer Heimat konfrontiert ist.

3. Preis

Ein geteilter dritter Platz und mit einem Preisgeld von 500€ gehen an Daria Danilova und Louis Roth.

Eine kleine Küchenwaage hilft das Gewicht eines jeden Gepäckstücks zu bestimmen. Die endgültige Überprüfung erfolgt jedoch erst am Flughafen. Am 21. September 2022 kündigte Russland eine Mobilisierung an. Männer fürchteten sich vor Grenzschließungen und mussten sich entscheiden im Land zu bleiben oder es aufgrund politischer, sicherheitsbezogener oder persönlicher Gründe zu verlassen. Im Fokus der Fotoserie „I don’t live anywhere right now“ von Daria Danilova steht dieser Entscheidungsprozess der Menschen und die Gegenstände, die sie als unentbehrlich für den Neuanfang ansahen.

Die New Administrative Capital ist eine neu geplante Stadt in Ägypten. Sie soll als neue Hauptstadt des Landes diesen Sommer in Betrieb gehen. Sie ist gepärgt von prunkvollen Bauprojekten, darunter der „Iconic Tower“ als höchstes Gebäude Afrikas. Kritiker*innen sehen das Projekt kritisch: Die Regierung versuche das politische Zentrum aus den protestanfälligen Straßen Kairos in eine besser kontrollierbare Stadt zu verlagern. Zumal der neu-geschaffene Wohnraum zu teuer ist. Auf zwei Reisen fotografierte Louis Roth die leere Stadt mit ihrer surreale Architektur.

 

Erobert den Film -Preis

1. Preis

Die Jury in der Kategorie Film hat in diesem Jahr drei erste Preise vergeben. Jeanna Kolesova, Marlena Molitor und Denis Pavlovic erhalten jeweils 1.666,66€.

Das Projekt „Memory is an animal which barks with various mouths“ von Jeanna Kolesova untersucht das kollektive Gedächtnis in Russland im Bezug auf den Zweiten Weltkrieg und wie es zur Formung nationaler Erzählungen verformt wird. Es verknüpft persönliche Erfahrungen mit gesellschaftlichen Erinnerungen, um individuelle und öffentliche Sphären zu verbinden. Dabei werden Themen wie öffentliches Gedenken, aggressive patriotische Erziehung, Staatsmacht und der Siegeskult analysiert, welche eine kriegszentrierte Identität formen. Die individuelle Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg reflektiert hingegen eher die gewalttätige, zerstörerische und tragische Seite. Durch das Aufzeigen von Diskrepanzen zwischen individuellem und kollektivem Gedächtnis soll die Entmythologisierung der Vergangenheit ermöglicht werden. Die Hauptfrage des Projekts lautet: Können wir durch die Erinnerung an vergangene Ereignisse aus dem nationalistischen Narrativ ausbrechen?

(„Jeanna Kolesova, Memory is an animal which barks with various mouths, 15:44 min, 2-channel Film)

 

Sommer 2019 in Berlin. Über den Dächern der Stadt denken Aimee und Anissa über ihr Leben nach: Wann ist man eigentlich erwachsen?  Wie geht guter Sex? Und was ist der Plan nach dem Abi? Dieselben Fragen treiben auch Lea um. Ähnlich orientierungslos, was ihre Zukunft angeht, macht sie erstmal Abi und jobbt neben der Schule in einem Supermarkt. So richtig frei fühlt sich die 18-Jährige nur auf der Tanzfläche. Der Dokumentarfilm „Erwachsen oder sowas“ von Marlena Molitor begleitet Aimee, Anissa und Lea zum Späti, an den See und durch die Straßen Berlins und vermittelt dabei mit beobachtender Kamera intime Einblicke in die Gedankenwelten der drei jungen Frauen an der Schwelle zum Erwachsenwerden.

(Marlena Molitor, Erwachsen oder sowas, 18:00 min, Film)

 

Der Film „New Year East“ von Denis Pavlovic beleuchtet die raue Lebensrealität der Protagonisten Marco und Ivan in Ost-Europa, abseits von Touristenattraktionen und Oligarchenprunk. Als Vertreter der ersten Nachkriegsgeneration in Kroatien trotzen sie der Hässlichkeit und Brutalität ihres Umfelds, indem sie farbenfrohe Bilder für ihr eigenes Seelenheil erschaffen. Die Gestaltung des Films in Schwarz/Weiß fordert die Zuschauer aktiv auf, hinter die offensichtliche Darstellung zu blicken und regt zum Mitdenken an. Das Ziel, die scheinbare Harmonie zu stören und die wahre Realität deutlich zu machen.

(Denis Pavlovic, New Year East, 29:58 min, Film)