Bruch mit dem Stalinismus als System?

02. Juli 2014, 17:00
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Bruch mit dem Stalinismus als System?

Bruch mit dem Stalinismus als System?

Die Linkspartei hatte mit dem Satz von Michael Schumann auf dem außerordentlichen Parteitag 1989 „Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus als System“ ein Leitmotiv gefunden, das die Partei seitdem wie ein Banner vor sich her trägt. In der Überschrift zu dieser Veranstaltung steht hinter dem Satz nicht ohne Grund ein Fragezeichen. Am 21. Januar 2014, anlässlich der Einweihung einer Gedenktafel für die Opfer des stalinistischen Terrors unter deutschen Kommunisten an der Fassade des Karl-Liebknecht-Hauses, hat auf Anregung des „Arbeitskreises Sowjetexil“ eine Podiumsdiskussion stattgefunden, zu der Prof. Dr. Michael Brie in seiner Einführung das Motto abgewandelt hatte. Thema war jetzt „Der Bruch mit dem Leninismus als System“, der Untertitel „Sozialismus und Demokratie – eine historische Tragödie.“ Diese Diskussion soll am 2. Juli fortgesetzt werden. Mit der Erkundung der Wurzeln des Stalinismus im Leninismus geht eine erneute Polarisierung der Standpunkte einher. Das historische Feld wird neu vermessen, das Weiterleben des Stalinismus unter heutigen Linken nicht mehr bestritten.

Dazu drei Beispiele: 1. „Die Leninsche Politik war nicht prinzipienlos, sondern hatte ganz im Gegenteil nur ein Prinzip – die Sicherung der Macht der Bolschewiki als Garant einer sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft. Aufbau einer welthistorisch so noch nie gesehenen Geheimpolizei und Ausbau eines umfassenden Lagersystems zu einer permanenten Form der Internierung von aktuellen oder potentiellen Gegnern, systematischer Terror, militärische Zwangsherrschaft, die Unterdrückung der letzten Reste innerparteilicher Demokratie schienen durch dieses eine Prinzip legitimiert.“ (Michael Brie 2013) 2. „Lenin Reloaded – so lautet der Schlachtruf einiger der führenden marxistischen Intellektuellen weltweit, um die Aufmerksamkeit wieder auf den entscheidenden Denker Wladimir I. Lenin zu lenken. Die Autoren dieses Bandes verweisen darauf, dass es Lenin war, der das Denken Karl Marx‘ politisierte, es aus seiner Beschränkung auf Europa löste und in die Praxis umsetzte. Sie stellen fest, dass das Denken Lenins heute nötiger ist den je…“(Slavoj Žižek u.a. 2014) 3. „Was ist der Philo- oder Neostalinismus? Ein heutiger Philo- oder Neostalinist – ich sage bewußt nicht: ‚Stalinist‘ – ist aber in meinen Augen derjenige, der historisch oder politisch-theoretisch diesem Gesellschaftssystem und seiner Herrschaftsideologie anhängt, auch gedanklich nicht von ihm loskommt und beide, die Theorie wie die Praxis desselben, auch heute noch meint beschönigen, verteidigen, rechtfertigen und reproduzieren zu müssen.“ (Christoph Jünke 2014)

Prof. Dr. Michael Brie (*1954) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Theorie und Geschichte des Sozialismus und Kommunismus sowie die sozialökologische Transformation der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaften und strategische Probleme der Linken. Jüngste Publikation: „Was bleibt? Die kommunistische Verfolgung von Kommunistinnen und Kommunisten und der Fall Walter Janka“. (http://www.rosalux.de/publication/40158, Januar 2014)

Dr. Christoph Jünke (*1964) studierte Geschichte, Philosophie und Soziologie an den Universitäten Köln und Bochum. Er promovierte mit einer Arbeit über das Leben und Wirken von Leo Kofler und hat 2007 die erste umfassende Biografie zu Kofler veröffentlicht. Dafür und für sein Buch „Der lange Schatten des Stalinismus. Sozialismus und Demokratie gestern und heute“ erhielt er 2009 den Wissenschaftspreis der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen.

Anja Schindler (*1949 in Karaganda/Kasachstan) studierte Geschichte und Germanistik in Leipzig. Anschließend arbeitete sie als Redakteurin. Veröffentlichungen zu deutschen Emigrantenschicksalen im sowjetischen Exil und zu jüdischen Lebensbildern in Nazi-Deutschland. Leiterin der Arbeitsgruppe Ausstellung „Ich kam als Gast in euer Land gereist. Deutsche Hitlergegner als Opfer des Stalinterrors. Familienschicksale 1933-1956.“ Im gleichnamigen Begleitbuch zur Ausstellung verfasste sie die Familienbiografien Glesel-Wellnitz, Günther, Fehler und Tieke.

Moderation: Dr. Inge Münz-Koenen

Eine Veranstaltung des Arbeitskreises Sowjet Exil, im Rahmen der Ausstellung „Ich kam als Gast in euer Land gereist…“ Deutsche Hitlergegner als Opfer des Stalinterrors. Familienschicksale 1933 – 1956. Eine Dokumentation über die Ausstellungseröffnung finden Sie hier.

Location

Münzenbergsaal, Franz -Mehring-Platz 1 D-10243 Berlin

Partner / Veranstalter

Rosa-Luxemburg-Stiftung

Münzenberg Forum Berlin

Arbeitskreis Sowjet Exil

Kontakt

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Effi Böhlke
Telefon: (030) 44310-473
Fax: (030) 44310-122
E-Mail: boehlke@rosalux.de

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