August 1933: Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror

23. September 2013
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Vor 80 Jahren soll der niederländische Kommunist Marinus van der Lubbe im Alleingang den Reichstag in Flammen gesetzt haben. Bis heute streiten Historiker über die Einzeltäterthese. Dabei ist diese Vermutung nicht neu. Schon kurze Zeit nach der Tat erschien mit dem Braunbuch eine umfassende Sammlung zu einem der bekanntesten Kriminalfälle der Geschichte. Das Werk ist zugleich Anklageschrift gegen die Gräueltaten der Nazis – eine Erinnerung in Form einer szenischen Lesung.

„Das Braunbuch ist eine Hetzschrift, die ich vernichten lasse, wenn ich sie kriege“, soll Hermann Göring im Reichstagsbrandprozess getobt haben. Dabei standen auf der Anklagebank weder das Buch selbst, noch deren Verfasser. Doch das Braunbuch hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Kein halbes Jahr nach dem verheerenden Reichtagsbrand wurde die zu dieser Zeit bemerkenswert umfassende Anklageschrift gegen die Naziherrschaft der Öffentlichkeit vorgestellt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Reichsanwalt noch nicht einmal Anklage gegen die angeblichen kommunistischenVerschwörer des 27. Februar 1933 erhoben.

Lesung Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror, Foto: Jenny SchindlerDoch zu diesem Zeitpunkt war längst absehbar, dass neben dem Niederländer Marinus van der Lubbe auch die vier Kommunisten Ernst Torgler, Georgi Dimitrow, Blagoi Popow und Wassil Tanew auf der Anklagebank landen würden. Die Nazis hatten kein Interesse daran, den Reichstagsbrand als Werk eines Einzelttäters darzustellen. Das Feuer war noch nicht einmal erloschen, da verbreitete die braune Propaganda-Maschinerie bereits die Behauptung des Beginns einer kommunistischen Verschwörung. Immerhin musste eine Begründung für die nur einen Tag später erlassene Reichstagsbrandverordnung gefunden werden, die die Verfassung der Weimarer Republik de facto außer Kraft setzte und zugleich die Verfolgung politisch Andersdenkender legalisierte, indessen Folge die Welt letzten Endes nur sechs Jahre später in Flammen aufgehen konnte. Das tröstet es wenig, dass es den Nazis aus Mangel an Beweisen nicht gelang, Torgler, Dimitrow, Popow und Tanew als Mitverschwörer des Reichstagsbrandes zu verurteilen. Nicht zuletzt dürfte diese Tatsache auch den im Braunbuch enthaltenen Recherchen zu verdanken sein.

Lesung Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror, Foto: Jenny Schindler

Dabei gilt das Feuer lediglich als Ausgangspunkt des Buches, wie bereits in dessen vollem Titel Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror deutlich wird. Wie die Nazis, so gingen auch die Kommunisten nicht von einem Einzeltäter aus, wenn auch aus vollkommen entgegengesetzter Position heraus. So gingen die Verfasser des Braunbuchs, darunter der Verleger Willi Münzenberg, davon aus, dass der Brand ein Auftragswerk der Nazis gewesen sein musste und van der Lubbe nicht als Einzelttäter infrage kam. Im Gegensatz zu den Nazis konnten die Antifaschisten einige Indizien zusammentragen, was allein schon deshalb als bemerkenswert gelten muss, da die Arbeit am Braunbuch vollständig aus dem französischen Exil heraus organisiert werden musste. Was Göring im eingangs erwähnten Zitat zu seiner Hetze gegen die Braunbuch-Verfasser veranlasste, war unter anderem, dass das Werk auf den Umstand hinwies, wonach es keine Verbindung zwischen van der Lubbe und der KPD gab und der vermeintliche Einzeltäter bereits Jahre vor dem Flammeninferno mit den niederländischen Kommunisten gebrochen hatte. Erstaunlich ist die Fülle an Fakten, die die Verfasser auf 60 Seiten fast ausschließlich aus öffentlich zugänglichen Quellen zum Reichstagsbrand zusammentrugen. So blieb den Autoren weder die Einschätzung des am verhängnisvollen Abend den Einsatz leitenden Feuerwehrmanns verborgen, der das Feuer als ein Werk mehrerer Täter bezeichnete, noch das Ergebnis der späteren Spurensicherung, die an einigen Spuren von Brandbeschleunigern fand, der kaum wahrscheinlich von einer einzigen Person unbemerkt in den Reichstag hätte geschmuggelt werden können. Für die Verfasser des Braunbuchs steht am Ende ihrer Faktensammlung fest: „Hauptmann Göring ist der Organisator des Reichstagsbrandes. Sein Parteigenosse Goebbels hat den Plan erdacht, Göring hat ihn durchgeführt. In seiner Hand waren alle Möglichkeiten vereint. In seiner Hand war alle notwendige Macht gegeben. In seiner Hand liefen alle Fäden zusammen. Der Morphinist Göring hat den Reichstags angezündet.“ Ob Münzenberg und die vielen Zuarbeitenden mit ihrer Einschätzung richtig liegen, ist bis heute unter Historikern nicht abschließend geklärt. Fakt ist allerdings: Die Bundesanwaltschaft hob das 1934 gegen van der Lubbe verhängte Todesurteil 2007 auf.

Aus dem Braunbuch, historischen Texten, Zeitungsartikeln, Gesetzen und Biografien lasen anlässlich der Münzenberglektion am 23. September:

Florian Weis (Rosa-Luxemburg-Stiftung), Gesine Lötzsch (Partei DIE LINKE), Halina Wawzyniak (Partei DIE LINKE), Klaus Lederer (Partei DIE LINKE), Olaf Koppe (neues deutschland), Raju Sharma (Partei DIE LINKE) Tom Strohschneider (neues deutschland), Wolfram Adolphi (Journalist), Matthias Schindler (FMP1)

Location

Münzenbergsaal, Franz -Mehring-Platz 1 D-10243 Berlin

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