Über Willi Münzenberg

1889 - 1940
chronik  

Der 1889 in Erfurt geborene Sohn eines Dorfgastwirts verkörperte exemplarisch Lebenswege und -Welten des Internationalismus und der globalen Solidaritätsnetzwerke der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Der 1889 in Erfurt geborene Sohn eines Dorfgastwirts verkörperte exemplarisch Lebenswege und -Welten des Internationalismus und der globalen Solidaritätsnetzwerke der ersten Hälfte des XX. Jahrhunderts.. Münzenberg wurde zu einer Scharnierfigur dieser Zeit und prägte seine Symbole, von denen einige zu Mythen wurden.

Im Gefüge von internationalem Sozialismus, Komintern, Deutschland, Sowjetunion, Frankreich und den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas inspirierte und organisierte er zahlreiche internationale soziale, politische Bewegungen und kulturelle Initiativen in der ersten Hälfte des XX. Jahrhunderts:

• 1915-1919 als Koordinator der internationalen antimilitaristischen Jugendbewegung im 1. Weltkrieg.

• 1921 als Beauftragter Lenins für die Internationale Hungerhilfe für die Sowjetunion und später als Generalsekretär der Internationalen Arbeiterhilfe (IAH).

• 1926 als Begründer der Liga gegen Imperialismus und für nationale Unabhängigkeit (LAI).

• In den 1920-er und 1930-er Jahren als Ideengeber einer Vielzahl weltweiter und regionaler Initiativen gegen Faschismus, Rassismus, Unterdrückung der Frauen, gegen die Todesstrafe für Sacco und Vanzetti in den USA, für Sandino und die Freiheitsbewegung in Lateinamerika und der Karibik, gegen den Nationalsozialismus und Faschismus, den Reichstagsbrandprozess, für die Freilassung Dimitrovs und aller Hitlergegner, für die Solidarität mit der spanischen Republik und für die deutsche Volksfront.

• In den 1930-er Jahren als Praktiker und Theoretiker der Massenpropaganda gegen Krieg, Unterdrückung und Faschismus.

Die von ihm, seiner Lebensgefährtin Babette Gross und seinen Mitarbeitern hauptsächlich in Berlin und nach 1933 im Pariser Exil geschaffenen neuen Medien werden heute als bahnbrechende historisch-kulturelle und künstlerische Referenzmuster angesehen. Darunter sind Periodika (Berlin am Morgen, Welt am Abend, Arbeiter-Illustrierte-Zeitung, Eulenspiegel, Der Rote Aufbau, Die Zukunft), Verlage (Kosmos Verlag GmbH, Neuer Deutscher Verlag, Éditions du Carrrefour), Ausstellungen und Filmunternehmungen (Prometheus, Mešrabpom-Filmgesellschaft).

Wie sonst kaum jemanden gelang es Willi Münzenberg, weltweit Massenpropaganda, Avantgarde und Kulturschaffende zusammenzubringen, darunter die bekanntesten Intellektuellen, Künstler und Wissenschaftler seiner Zeit wie Thomas und Heinrich Mann, Eisenstein, Henri Barbusse, Albert Einstein, John dos Passos, John Heartfield, Käthe Kollwitz, Ernst Toller, Upton Sinclair und viele andere mehr.

Im Osten zur »Unperson« erklärt, blieb Münzenberg aufgrund der ab 1945 aufgesetzten Scheuklappen des Kalten Krieges auch im Westen lange ohne Erinnerungslobby. Bis heute gründen sich auf dieser Tunnelsicht ganz unterschiedliche Einschätzungen und Sichtweisen. So wird er von Historikern und Publizisten als »Roter Millionär« und »Pressezar«, als »Revolutionskünstler«, als »Verführer westlicher Intellektueller« und »Kulissenschieber Stalins« besprochen. Er gilt als »avantgardistischer Inspirator neuer Bilderwelten« genauso wie als »Erbauer potemkinscher Dörfer«. Man sieht in ihm sowohl den »Vordenker einer postkolonialen Welt« als auch einen »antikommunistischen Renegaten«.

• Zunächst ein Anhänger Stalins, wurde Münzenberg zu einem seiner Hauptfeinde und entfernte sich 1937 von Walter Ulbricht und der KPD. Nach Abschluss des „Stalin-Hitler-Paktes“ 1939 knüpfte er deutsch-französische Netzwerke der gesamten Anti-Hitler-Opposition, um den kommenden Krieg zu verhindern und warnte zugleich vor dem „Verräter Stalin“.

• 1938-1940 waren die Deutsch-Französische Union um die Wochenzeitung Die Zukunft wie auch die Freunde der Sozialistischen Einheit Deutschlands seine neue Basis. Ihr Name wurde nach 1945 für die SED usurpiert.

• Solange nicht alle Archive geöffnet sind, die über sein Leben Auskunft geben, bleibt auch auch sein unerwarteter Tod unaufgeklärt. Willi Münzenberg wurde 1940 tot aufgefunden; er befand sich in Südostfrankreich auf der Flucht vor den deutschen Truppen. Babette Gross zufolge handelte es sich um einen politischen Mord.

Die ständig erweiterte Chronik des Münzenberg-Forums gibt einen ausführlichen und detaillierten Einblick in die verschiedenen Phasen, Etappen und Orte im Leben Willi Münzenbergs.