Kongresstag 2: Münzenberg in Bild und Film

19. September 2015

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Ursprünglicher Anlass für diese publizistischen Tätigkeiten Münzenbergs war die Bitte Lenins, internationale Hilfe zur Bewältigung der großen Hungersnot 1921 in den Wolga-Gebieten zu organisieren. Ansonsten berichteten die Blätter unkritisch und technikgläubig über die Fortschritte in der Sowjetunion („Sibirien, das Land der Zukunft“).

Filmhistoriker Günter Agde zeigte daran anknüpfend bedrückende, dokumentarische Filmaufnahmen, die junge Filmemacher in den Hungergebieten gedreht hatten. Lenin selbst, so Agde, habe an einem Dokumentarfilm über den Torfabbau das Agitationspotential des Medium erkannt. Auch Münzenberg forcierte in den 1920er Jahren erst den Import von sowjetischen Filmen, dem dann eigene Produktionen folgten. Aber erst mit den Einnahmen aus der Vermarktung von „Panzerkreuzer Potemkin“ in Deutschland konnte die Produktion von (agitatorischen) Dokumentarfilmen wirklich anlaufen. Die Kinovorführungen, so zeigen zeitgenössische Berichte, fanden bei den Arbeitern enorme Resonanz und waren überlaufen. Morgen, am Samstag, werden ab 15.30 Uhr im Kinosaal ausgewählte Film aus dem Münzenbergisches Fundus gezeigt.

Als weiteren interessanten Aspekt wies Christoph Hesse auf die Mitwirkung von Deutschen (wie Erwin Piscator) an sowjetischen Filmprojekten hin. Diese waren allerdings nicht immer von Erfolg gekrönt. Ausführlich berichtete Hesse von dem obskuren Versuch, am Schwarzen Meer einen Film über die US-amerikanische „Rassenfrage“ zu drehen – mit nur weißen Darstellern.

Historiker und Kongress-Organisator Bernhard Bayerlein referierte schließlich über die Herausbildung des Antistalinismus – ein durchaus heikles Thema in linken Kreisen. „Kritische Geschichtswissenschaft heißt, Prozesse, die verborgen oder verfälscht worden sind, wieder offenzulegen“, stellte Bayerlein klar. Vor 20 Jahren hätte man noch nicht sagen können, dass Stalin in den 1930er Jahren gezielt an einem Bündnis mit Hitler interessiert war. Heute, unter anderem mit Hilfe der neu zugänglichen Quellen in Russland, könne man das zumindest als Arbeitshypothese formulieren

Zum Abschluss des Tages widmet sich der Kongress genauer der von Münzenberg im Exil herausgegebenen Zeitschrift „Die Zukunft“ (1938-40). Motto der Publikation war „Neues Deutschland. Ein neues Europa“ – Münzenberg, so Forscher Dieter Schiller, wollte alle Antifaschisten mit zugleich antistalinistischer Einstellung wieder zusammenführen.

Obwohl eine Reihe geflüchteter spanischer Kämpfer Münzenbergs Gruppe „Freunde der sozialistischen Einheit“ unterstützten, waren die Umstände letztlich zu schwierig. Im Internierungslager Grus in Frankreich sah sich der nun zum Antistalinisten gewordene Münzenberg den Diffamierungen der vom KPD-Sekretariat in Paris gesteuerten Lagerleitung ausgesetzt. Das restriktive Verhalten der französischen Behörden, der baldige, bis heute unaufgeklärte, Tod von Münzenberg und der Zweite Weltkrieg verhinderten, dass sich hier eine neue Keimzelle internationaler Solidarität bilden konnte. Nach Kriegsende wurden diese Geschehnisse sowohl von westlicher als auch realsozialistischer Seite totgeschwiegen.