Kongresstag 3: Solidarität weltweit und Münzenberg mittendrin

20. September 2015

20150920024101Der dritte Tag der Ersten Willi-Münzenberg-Konferenz begann mit einer informativen Runde zur Archivarbeit. Fabian Wurtz vom Schweizerischen Sozialarchiv stellte die – zu großen Teilen – online zugänglichen Sammlungen des Archivs zu Münzenberg vor. Münzenberg war in den 1910er Jahren in der dortigen sozialdemokratischen Jugendorganisation aktiv und leitete ihre Zeitschrift „Freie Jugend“.

In der anschließenden Diskussion kamen – bei allen Erleichterungen für die Forschung – auch die Nachteile der „Computerisierung“ zur Sprache. Aufwändig (z.B. wegen des Formats) einzuscannende Dokumente würden ausgelassen und beim Vergleich mit Originaldokumenten zeigten sich immer wieder falsche Zuordnungen. Sobald die Suchkriterien etwas komplexer würden, stieße die Software an ihre Grenzen. Ein zusätzliches Gespräch mit den Archivaren sei da immer der sichere Weg. Außerdem: Was in einem Online-Portal nicht per Volltext als PDF gefunden werden kann, droht noch mehr in Vergessenheit zu geraten. Gerade die ältesten, noch nicht digitalisierten Dokumente seien davon betroffen, obwohl diese am wenigsten erforscht sind.

Der Tag bot den Teilnehmern außerdem Einblicke in die Biografien verschiedener linker Aktivisten – zumeist Menschen in einer Minderheitenposition und einem gewaltsamen Tod. So berichtete Victario Soloschenko aus Kiew über das bewegte Leben von Christian Rakowski, der als Diplomat eine transnationale Karriere zwischen Bulgarien, Ukraine und Russland verfolgte. 1937 wurde er in einem stalinistischen Schauprozess hingerichtet.

Ebenfalls beleuchtet wurde die Rolle von Frauen in der radikalen Linken der 1920er und 30er Jahre. Ursula Langkau-Alex zeichnete das Bild von Babette Gross als wichtigste private wie berufliche Weggefährtin von Münzenberg. Gross überlebte sowohl die Nazizeit als auch den Stalinismus und demonstrierte noch wenige Tage vor ihrem Tod 1990 vor der Stasizentrale in Berlin. Interessant: Zwar waren die kommunistischen Parteien offener gegenüber Frauen als ihre bürgerlichen Pendants – jedoch blieb es bei einer Männerdominanz (ca. 20 Prozent Frauenanteil) und einer „typischen“ Arbeitsteilung der Geschlechter (Mann: Übersetzer, Frau: Schreibmaschinenkraft).

Außerdem lenkte der heutige Tag die Blick auf die Arbeiterbewegungen in Afrika, Asien und Amerika. Eine umfangreiche Thematik, die wegen der traditionellen eurozentristischen Sichtweisen noch zu kurz kommt. Einige Stichworte und Personen müssen an dieser Stelle genügen: Foster Jones, der die „African Seaman“ Gewerkschaft antrieb oder James W. Ford, George Padmore, Otto Huiswoud, die die International Trade Union Committee of Negro Workers (ITUCNW) prägten. Letztere war mit der Komintern verbunden. Die Zusammenarbeit gestaltet sich jedoch schwierig – von Moskau aus konnte man einfach keine klare Arbeiterklasse in Afrika identifizieren. Münzenberg stand jedenfalls mit den „schwarzen“ Gewerkschaften in ständigem Kontakt.

Santosh Pandhari Suradkar berichtete über den schwierigen sozialen Kampf in Indien aufgrund des dortigen Kastensystems – sowohl damals wie auch heute. Daniel Kersffeld illustrierte anhand von Fotos die Kampagnen der Anti-Imperialist League of the Americas (AILA) in Nicaragua (Ikone: Augusto Sandino). Fredrik Petersson beschreib die transnationalen, wie chaotischen Auseinandersetzungen bei den Kongressen der League Against Imperalism (LAI), einer weiteren Organisation, die Münzenberg ebenfalls entscheidend prägte. Klaas Stutje zeigte auf, wie Münzenberg 1927 indonesischen Studenten, die aus den Niederlanden fliehen mussten, Schutz gewährte – und damit indirekt die Bildung einer indonesischen Nationalbewegung unterstützte.

Abschließend widmete sich der Kongress dem aufkommenden Stalinismus. Die „Abteilung Abwehr“ der KPD diffamierte in paranoider Sorge um die „Reinheit der Partei“ unzählige aktive, linke Persönlichkeiten. Obwohl Münzenberg schon sehr früh und letztlich erfolgreich beim den sowjetischen Stellen für ein Eingreifen in den spanischen Bürgerkrieg plädierte, begann zum gleichen Zeitpunkt die Überwachung. Seine Europareisen, in den 1930er Jahren nicht mehr ungefährlich, wurden als „Infiltrationsreisen“, wahlweise im Auftrag des Trotzkismus, französischer oder englischer Geheimdienste diffamiert. Münzenbergs Tod 1940 in Frankreich bleibt bis heute unaufgeklärt.