Hurra, wir leben (noch)!

07. Juni 2023
Foto Hanna Seibel

Nichts an diesen Bildern ist und macht hoffnungsfroh. Die einzigen Rosigen, die, die vergangene, dunkle Zeit vergessend oder verdrängend hinter sich lassen und im neuen `Frieden` wieder gut im Geschäft sein wollen. Sie sehen anders aus als jene, die George Grosz im Berlin der Weimarer Republik oder später für das New York der dreißiger Jahre typisierte. Und doch sind sie deren Wiedergänger. dies jedoch sind dies die `Helden` der Groszschen Bilder aus der zweiten Hälfte der vierziger Jahre. Das sind die Stick Men (Stockmänner – GG).

Die grauen, auf ihre Gliedmaßen reduzierten Figuren, deren Schädel angesichts des Erlebten, Gesehenen oder Gehörten fast zerspringen. Die sich Ohren verschließend dem chaotischen Weltgebäude, ein erneutes explodieren fürchtend, entrinnen wollen. Entwurzelte, die wieder marschieren. Wofür? Für wen? Wohin? Ihre Fahne hat, da wo früher vielleicht ein Zeichen war, ein Loch. Oder ist es nur ein Durchschuss von der vorigen Schlacht. Die, deren verhärmte Finger nach den Fressenden greifen. Selbst der Agitator kann nicht mehr zünden, sondern verbrennt nur noch. Und der Künstler? Ihm bleibt nur das Loch als Motiv. Hineingestellt in dystopische Landschaften.

George Grosz der Nihilist? Jetzt wo der `Große Frieden` ausgebrochen war? Jetzt wo alle das Schreckliche hinter sich lassen wollten und es `Nie wieder` hieß? Sicher im fernen Amerika, frei von den Sorgen im Nachkriegsdeutschland? Mitnichten. George Grosz zeigt sich auch in diesen Arbeiten als politischer Künstler. Jedoch die Verhältnisse haben sich geändert und diese auch ihn. Die Nachrichten vom Ausmaß der faschistischen Verbrechen und ihren Folgen dringen mit ganzer Wucht – auch mit Berichten aus Berlin – nach New York. Die `unschuldige` USA demonstriert mit den Atombombenabwürfen auf Japan 1945, das Macht jedes – auch das Menschheit auslöschende – Mittel rechtfertigen kann. Stalin hat die Sowjetunion von `inneren Feinden` gesäubert und sieht schon die nächsten. All das, wovor Grosz als einer der Ersten warnte, ist geschehen. All das, worauf er setzte, ist kein Halt. Durch die Welt zieht sich ein neuer eiserner Vorhang.

Und seine amerikanischen Künstlerkollegen? Die malen abstrakt und bunt. Nach dem vielen Grauen, sehnt sich der Markt nach neuer Schönheit. Grosz kann und will dem nicht entsprechen. Als er 1948 seine Bilder in einer New Yorker-Verkaufsausstellung zeigt, bleiben diese weitgehend unverkäuflich.

75 Jahre später zeigt DAS KLEINE GROSZ MUSEUM seit 25. Mai eine Vielzahl von Arbeiten aus der Werkreihe `Stick Men` als dritte Ausstellung erstmalig in Deutschland. Der Besuch lohnt darüber hinaus, da mit der neuen Ausgabe auch die Dauerausstellung im Erdgeschoss durch Werke aus den Beständen unterstützender Sammler ergänzt wurde. Die Ausstellung wird bis 30.10.2023 gezeigt.

Wer die Bilder mit heutigen Augen sieht, mag in den Stick Men Geflüchtete erkennen wollen, kann die Landschaften mit aktuellen gesellschaftlichen Krisen verbinden oder an den Russischen Krieg in der Ukraine denken.

Auch zu dieser Ausstellung präsentiert der Katalog mehr als nur Abbildungen der gezeigten Werke. Er fügt den bisherigen Kenntnissen zum Denken und Handeln von Grosz in der Zeit unmittelbar nach dem II. Weltkrieg und zu seiner Kommunikation mit den wieder in Deutschland tätigen Freunden neue Fundstücke hinzu. Dieser Katalog kann über nd.shop zum Preis von 35,00 € bezogen werden.

Das Münzenberg Forum gehört zu den Förderern des Museums.