Münzenbergs „Last Empire“ – Eine Forschung über die Wochenzeitung Die Zukunft

05. März 2020

Es ist das letzte große Publikations- und Organisationsprojekt Münzenbergs. Erschienen zwischen September 1938 und Mai 1940 entwickelte sich die Wochenzeitung „Die Zukunft“ zum zentralen Projekt der Anti-Hitleropposition. Ein Forschungsprojekt untersucht das  transnationale Netzwerk und seinen Wirkungskreis in ganz Europa, nicht nur auf die Emigranten im Exil.

Die Zukunft trägt anfangs den Untertitel: „Ein neues Deutschland, ein neues Europa“, sie gilt als Sprachrohr der „Freunde der Sozialistischen Einheit Deutschlands“ und steht für den Kampf um die Einheitsfront für den Sturz Hitlers und die Verhinderung des neuen Weltkriegs. Dabei wird, wie der Untertitel verrät, auch die Frage der Nachkriegsordnung in Deutschland und Europa breit debattiert. Redaktionelle Mitarbeiter sitzen in Paris, London und Stockholm. Zu ihnen gehören Arthur Koestler, Alfred Döblin, Gerda Friedmann, Hans Siemsen, Werner Thormann, Babette Gross, Otto Klepper und viele mehr.

Im Versuch über die Grenzen der deutschen Emigranten hinaus zu wirken erscheinen eine deutsch-englische und eine deutsch-französische Sondernummer. An ihre beteiligten sich zahlreiche Politiker und Gewerkschafter beider Länder. Letztere führt darüber hinaus zur Gründung der Deutsch-Französischen Union (Union Franco-Allemande) gegründet als letzter Nachweis für Solidarität, Internationalismus und Kosmopolitismus bevor die „Mitternacht des Jahrhunderts“ (Victor Serge) hereinbrach.

Münzenberg rührt in ihr ein letztes Mal die Trommel der Solidarität. Der Zusammenbruch der spanischen Republik zwingt Hunderttausende zur Flucht nach Frankreich. Münzenberg gründet das Komitee „Menschen in Not“, das denjenigen hilft, die von der Hilfe der KPD und der SPD ausgeschlossen werden. Für eine Sonderaktion Weihnachtspakete an Gefangene in den französischen Internierungslagern werden über 650 Namen eingereicht, besonders auch für ehemalige Spanienkämpfer. Die Einreichung der Spenden erfolgt an „Die Zukunft“.

Nun beschäftigt sich ein Forschungsprojekt des Instituts für Soziale Bewegungen der Ruhr-Universität Bochum mit Münzenbergs letztem Publikationsprojekt. Ziel ist die Erarbeitung einer problemorientierten und kritischen Darstellung anhand neu zugänglicher Dokumente, des Redaktionsarchivs in den Archives Nationales, Paris und zahlreicher weiterer Archivbestände, besonders in Deutschland, Frankreich, den USA und Russland“ sein. Ein erster Artikel von Bernhard H. Bayerlein unterstreicht die Bedeutung der „Zukunft“ als ein innovatives Projekt gegen Hitler und seine Kriegspläne. Münzenberg gelang es über politische Grenzen hinaus eine Einheitsfront zu bilden, zu ihr gehören Sozialisten, Liberale, Konservative, Pazifisten und Anarchisten. Damit überwand er das bis dahin gültige instrumentelle Antifaschismuskonzept der KPD sowie das vorsichtige Taktieren der SPD und errichtete zeitgleich erneut ein transnationales Netzwerk der „Anti-Abwarter“ und „Anti-Feiglinge“ (Karl Retzlaw). Schlussendlich war dieses Projekt ein wichtiger Akteur bei der „antistalinistischen Wende“ in Europa als Reaktion auf den Hitler-Stalin-Pakt und die Aufteilung und Zerschlagung Polens. Das neue Paradigma war, dass „Frieden und Freiheit gegen Hitler und Stalin verteidigt werden müssten. Gleichwohl besiegelte der Beginn des Zweiten Weltkriegs die Niederlage der Arbeiterbewegung, der Demokratie und auch der „Zukunft“. Münzenberg und seine Helfer haben den umfassenden und bedingungslosen Widerstand gleichwohl gewagt und ihm eine konkrete Form gegeben.