Anekdoten zur Verlagsgeschichte – Flucht auf Strümpfen

16. Mai 2017

1933: Die lodernden Flammes des Reichstagsbrandes geben das Startsingal für die Jagd auf Nazi-Gegner. Wie Herzfelde sich rettete.

Schon seit dem 30. Januar, der Machtübernahme durch Hitler, war Wieland Herzfelde nicht mehr bei sich zu Hause. Auch er weiß, dass dort die Verhaftung droht. Unterschlupf findet er vor allem bei Freunden, etwa dem Verleger Ernst Rowohlt. Zur Rettung der Geschäftsunterlagen und des Verlagsvermögen schickt Herzfelde seine Frau Gertrude Herzfelde in die Wohnung. Unter dem Vorwand, der Verlagschef sei ihr Geld schuldig, verschaffte sie sich bei den SA-Männern Zugang zur Wohnung und kann weniges retten. Einige Zeit später versucht auch Wieland Herzfelde selbst etwas aus seiner Wohnung zu holen. Auf Strümpfen tapst er durch das Treppenhaus, befestigt zur Sicherheit einige Tücher am Fensterkreuz, als er lautes Stiefelgepolter im Hausflur hört. Er nutzt seinen Fluchtweg durch das Fenster in den verschlossenen Innenhof und versteckt sich bis in den Morgengrauen in einem ausgedienten Lichtreklamekasten. Als nach Stunden ein Mann die Hoftür öffnet, nutzt Herzfelde diese Gelegenheit zur Flucht, springt in ein zufällig vorbeikommendes Taxi und fährt davon bevor die Nazis ihn ergreifen können.

Bei Freunden angekommen, erhalt er neue Kleider und beginnt seine Flucht über das Riesengebirge nach Prag. Seine Sachen kann er freilich nicht mehr retten. Knapp 400.000 Bände werden beschlagnahmt und anschließend vernichtet oder zu günstigen Preisen durch die Nazis ins Ausland verkauft. Damit sollten nicht nur dringend benötigte Divisen erzielt werden, sondern auch den entstehenden Exilverlagen das Leben schwer gemacht werden. Für Wieland Herzfelde beginnt nun der Wiederaufbau des Malik Verlags. Die erste Erscheinung im Prager Exil wird das Heft „Hitler der Eroberer. Entlarvung einer Legende“, geschrieben von Rudolf Olden und anonym erschienen.