Einladung zur ersten Europäischen Willi-Münzenberg-Arbeitstagung (2012)
Die Erste Europäische Willi-Münzenberg-Arbeitstagung hatte am 12./13. Oktober 2012 „Internationalismus, transnationale Solidaritätsnetzwerke, Antifaschismus und Antistalinismus in den 1920er und 1930er Jahren“ zum Thema. Mit folgendem Text wurde zu ihr geladen:
„Im Jahre 1992 versammelten sich in Aix-en-Provence französische und deutsche Forscher zur bislang letzten Tagung über Willi MÜNZENBERG (1889-1940). Gemeinsam mit Zeitzeugen erinnerten sie an historische Lebensleistungen des KPD-Funktionärs, erfolgreichen Verlegers und Organisators. Als Begründer der Kommunistischen Jugendinternationale, Generalsekretär der Internationalen Arbeiterhilfe (IAH) und herausragender Gegenspieler des Hugenberg‘schen Presseimperiums wie auch des Propagandaministeriums von Joseph Goebbels drückte er der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert seinen Stempel auf. Das Treffen in Aix fand noch ganz unter dem Eindruck des Zusammenbruchs des Ostblocks statt; die Euphorie über die Archivrevolution war groß.
20 Jahre später sind neue Erkenntnisinteressen erwachsen, beachtliche Ergebnisse in der Forschung und spektakuläre Medienereignisse zu verzeichnen. Hingewiesen sei auf die Retrospektive während der diesjährigen Berlinale zu den Mežrabpom- und Prometheus-Filmgesellschaften. Ein „Freundeskreis“ in Erfurt versucht, den Sohn der Stadt ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. In der ständig anwachsenden internationalen Literatur wird Münzenberg als Roter Millionär, Künstler in Sachen Revolution, Pressezar oder Erfinder moderner Medienmodelle in höchst widersprüchlicher Weise behandelt. Er wird als Architekt einer postkolonialen Welt und Moskaus geheimer Verführer westlicher Intellektueller beschrieben. Durch seinen Bruch mit Stalin und der KPD Ende der 1930er Jahre blieb er in der DDR „Unperson“ und stille Herausforderung zugleich.
Im Rahmen der Europäischen Willi-Münzenberg-Arbeitstagung soll eine kritische Bilanz dieser interdisziplinär gewonnenen Forschungsergebnisse gezogen werden. Ziel wird es weiterhin sein, der Diskussion von Schlüsselthemen der internationalen Kommunismusforschung in diesem Zusammenhang neue Impulse zu verleihen. Auf Grundlage laufender und abgeschlossener Projekte geht es um die Erschließung neuer Forschungsfelder: Welchen Beitrag leistete Münzenberg im Kräftedreieck von Komintern, Deutschland und Sowjetunion, zur Politik des revolutionären und demokratischen Sozialismus, zu Antifaschismus und Antistalinismus sowie ihrem Wandel in der Zwischenkriegszeit? Worauf beruhten die um ihn gestrickten internationalen Solidaritätsorganisationen, Netzwerke und ihre Propagandakonzepte? Wie sah deren praktische Umsetzung aus? War er der hellsichtige Antifaschist oder nur ein Kulissenschieber im Auftrage Stalins? In die Diskussion hinein fließen Beispiele aus den Bilderwelten der 1920er und 1930er Jahre, Analysen zu verschiedenen Milieus der kommunistischen Bewegung sowie kritische Reflexionen über die Rolle engagierter Intellektueller zwischen sozialer und künstlerischer Revolution. Münzenbergs Wirken wird für die einzelnen Themenschwerpunkte hinterfragt und den jeweiligen Forschungskontexten zugeordnet.
Für die Rezeptionsgeschichte interessieren nicht zuletzt Münzenbergs verborgene Wirkungen seit Ende des Zweiten Weltkrieges als Projektionsfläche und im Nachklang für die Intellectual und Public History.“