Die Linke und Europa
Am 12. Oktober 1938 erscheint in Paris eine neue deutsche Wochenzeitschrift `DIE ZUKUNFT`, Untertitel `Für ein neues Deutschland, für ein neues Europa`. Es ist das letzte publizistische Projekt des im Pariser Exil lebenden Willi Münzenberg. MÜNZENBERG, von 1919 bis 1921 erster Sekretär der Kommunistischen Jugendinternationale, ab 1921 Generalsekretär der Internationalen Arbeiterhilfe (IAH), ab 1924 Mitglied des Reichstags, ab 1927 Mitglied des ZK der KPD, Massenpropagandist, Verleger, Organisator ist zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem ZK der KPD ausgeschlossen und beharrlich aufgefordert, zur Klärung von Sachverhalten nach Moskau zu kommen. Seine Organisationen, Verlage etc. liquidiert oder nicht mehr lebensfähig.
Im Herbst 1938 verschärft in Spanien Franco mit Unterstützung deutscher und italienischer Truppen den Kampf gegen die Republik, das Münchner Abkommen ist unterzeichnet. die französische Volksfrontregierung am Ende, England betreibt eine scheinheilige Neutralitätspolitk und in Deutschland sind die Vorboten der Reichskristallnacht nicht zu übersehen. Alle Zeichen deuten auf Krieg in Europa. In dieser Situation vereinigt `DIE ZUKUNFT´ Autoren aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien, Kommunisten, Sozialdemokraten, Anhänger des Zentrums, Konservative, Unabhängige, Politiker, Künstler und Journalisten. In ihren Beiträgen geht es um den Sturz des III. Reiches und eine Friedensordnung in Europa. Ihr neues, föderales Deutschland bedarf eines neuen, vereinigten Europas.
Das Gebot der Stunde
Am 03.05.1940, der deutsche Angriff auf Frankreich steht unmittelbar bevor, erscheint die letzte Ausgabe. Ihr Leitartikel ist überschrieben mit `Eine europäische Aufgabe/Demokratie und Sozialismus müssen neu gedacht werden`. Er endet mit der Feststellung: `Gewiss, die europäische Föderation ist das Gebot der Stunde, aber sie wird nur Bestand haben können, wenn sie in allen Ländern auf annähernd übereinstimmende gesellschaftspolitische und ideologische Vorstellungen rechnen kann. Von welcher Seite man auch an die Probleme herangeht, immer wieder führen sie auf die realpolitische Aufgabe zurück, der mit dem Aufruf zu sozialistisch-demokratischen Sammlung ein Umriss gegeben werden soll. Im Juli 1941 verfassen die beiden langjährig inhaftierten italienischen Linken, Altiero Spinelli und Ernesto Rossi, auf der Insel Ventotene ein Manifest für Europa. Zu diesem Zeitpunkt ist der Überfall auf die Sowjetunion noch keinen Monat alt und die verheerendsten Schlachten des Krieges stehen noch bevor. Dennoch formulieren sie bereits die Aufgabe der Nachkriegszeit – die Einheit Europas. Sie wissen eine Niederlage Deutschlands allein bringt noch keine neue europäische Ordnung. `Die erste Aufgabe, die angepackt werden muss und ohne deren Lösung jeglicher Fortschritt auf dem Papier bleibt, ist die endgültige Beseitigung der Grenzen, die Europa in souveräne Staaten aufteilen. Die Tatsache, dass ein großer Teil der europäischen Staaten von der deutschen Walze erfasst worden ist, hat ihr Geschick bereits zu einem gemeinsamen gemacht.
Ein freies und geeintes Europa
Ein freies und geeintes Europa ist die unerlässliche Voraussetzung für die Verbreitung der modernen Kultur, deren Entwicklung die totalitäre Epoche aufgehalten hat. Sobald diese zu Ende geht, wird der historische Prozess gegen soziale Ungerechtigkeit und Privilegien sofort wieder aufgenommen werden. All die konservativen Institutionen, die sich ihr in den Weg gestellt haben, werden bereits im Stadium des Zusammenbruchs sein. Diese Krise muss mit Wagemut und Entschlusskraft genutzt werden. Die Revolution muss, soll sie unseren Bedürfnissen entsprechen, sozialistisch sein, das heisst, sie muss sich einsetzen für die Emanzipation der arbeitenden Klassen und für die Schaffung humanerer Lebensbedingungen. Es sind die Autoren des Manifests und der `DIE ZUKUNFT`, die nach 1945 zu denen gehören, die sich für ein vereinigtes Europa einsetzen. Aber es ist zunächst nur eine Niederlage Deutschlands, die alten Kräfte in den befreiten westeuropäischen Ländern sind nicht überwunden, die Interessen der Siegermächte divergieren und teilen Europa. Dennoch es geht um den Ausschluss von Krieg, um einen dauerhaften Frieden. Was in Westeuropa mit der EU entsteht ist auch mit den Namen dieser Autoren verbunden. Der Prozess ist voller Widerspruch. In den siebziger Jahren geht es im KSZE-Prozess um den Frieden für das ganze Europa. Es ist ein langwieriges, widerspruchsvolles Ringen. Die Wiedervereinigung Deutschlands und der Zusammenbruch der politischen Systeme im östlichen Teil Europas lässt diese Widersprüche offener zu Tage treten. Offenen Grenzen in Europa steht die Abschottung nach außen entgegen, das Kapital verkehrt ungehindert, das Sozialsystem nicht, restaurative Kräfte verteidigen den Nationalstaat und wollen ihn aus europäischen Bindungen lösen, Rechtsextreme erheben wieder totalitäre Ansprüche und werden gehört.
Die Linke und Europa heute
Es ist erneut an der europäischen Linken, Europa aktiv zu gestalten und zugleich für ein neues zu kämpfen. MÜNZENBERGS ´DIE ZUKUNFT´ und das MANIFEST VON VENTOTENE sind Quellen ihrer europäischen Idee. Es kommt darauf an, sie im Lichte der Erfahrungen der letzten 70 Friedensjahre zu erschließen. `Jede Bewegung, die scheitert an der Aufgabe, diese (alle) Kräfte zu vereinen, ist zur Unfruchtbarkeit verdammt.` (MANIFEST VON VENTOTENE) Am 11.10.2016, 19.00 Uhr, spricht Gregor Gysi, langjähriger Vorsitzender der Bundestagsfraktion der `DIE LINKE´, im Franz-Mehring-Platz 1 zur Lage in Europa 2016 – eine Gelegenheit, die Gegenwart aus der linken Perspektive zu verstehen. Anschließend findet die Preisverleihung des Fotowettbewerbs `ALLES IN SCHÖNSTER ORDNUNG´ statt. ´ALLES IN SCHÖNSTER ORDNUNG´ ist eine im Frühsommer 1933 in der ArbeiterIllustriertenzeitu