Die Gewinner*innen des Kunstwettbewerbs 2022

05. September 2022

Über 250 Einsendungen erreichten uns in den Kategorien Foto, Film und Collage. Wir präsentieren euch hier Preisträger*innen mit ihren Arbeiten.

Lassen wir uns nicht schrecken durch die Ungunst äußerer Umstände, haben wir für alle Schwierigkeiten nur eine Antwort: Erst recht! (Clara Zetkin) ist das Motto unseres diesjährigen Kunstwettbewerbs gewesen. Alle prämierten Werke sind vom 30. September bis zum 11. November 2022 im Foyer des FMP1 (in der Nähe des Ostbahnhofes) zu sehen. Die Ausstellungseröffnung mit feierlicher Preisverleihung findet am 30. September um 19 Uhr im Foyer des FMP1 statt. Weitere Informationen zur Preisverleihung gibt es in der Rubrik Events.

Nehmt Zeitungen, nehmt Scheren -Preis

1. Preis

Der erste Preis und 2.000€ geht an Nazanin Hafez für ihre Arbeiten Karneval aus der Serie Zuschauer. Mit der islamischen Revolution wurden öffentliche Hinrichtungen im Iran eingeführt. Sie folgen dem Ziel, die Bevölkerung zu unterdrücken, einzuschüchtern und zu erziehen. Sie sind allgegenwärtig und locken viele Zuschauer*innen an. Einige fotografieren und filmen die Hinrichtung, während Andere den Moment sogar zu genießen scheinen. Es entsteht ein Prozess der Normalisierung. Die Collage, bestehend aus gesammelten Fotos von öffentlichen Hinrichtungen, entstellte und verzerrte die Zuschauer*innen und macht sie zu dem Hauptsubjekt. Denn auch sie tragen moralische Verantwortungen für das was passiert.

2. Preis

In ihren Kunstwerken Essence of Ukraine I und Essence of Covid-19 arbeitet die Künstlerin Lisa Hoffmann mit der Bündelung über Überlagerung von Bildern. In Essence of Covid-19 besteht 1500 Bilder von Menschen weltweit. Sie alle werden in gleichem prozentualen Anteil sichtbar und reproduzieren so nicht das klassische Dokumentarfoto einer Situation, die zumeist aus einer eurozentristischen Perspektive berichtet. In Essence of Ukraine I werden Bilder gesammelt, die weder beschnitten, noch sonstwie manipuliert sind. Die Arbeit versucht gegen ephemere Betrachtungsweise anzugehen und gleichzeitig die Bilder derjenigen einzubeziehen, die direkt von dem Ereignissen des Krieges betroffen sind ihre Perspektive über die Bilder teilen. So entsteht eine Essence, die nach und nach sichtbar wird und gleichzeitig klar Lücken aufzeigt. Für das Collagepaar erhält Lisa hoffmann den zweiten Preis und ein Preisgeld von 1.500€.

3. Preis

Drittplatzierte des Collagewettbewerbs mit einem Preisgeld von 1.000€ ist Lea Lucca Gill. Ihre Arbeit Die Hoffnung stirbt zuletzt zeigt, dass Revolutionen und sozialen Bewegungen in Momenten größter Hoffnungslosigkeit, Aussichtslosigkeit, Wut und Verzweiflung entstanden sind. Es ist eine ermutigende Hommage an vergangene und aktuelle Aktivist*innen und Bewegungen.

4. Preis

Der vierte Platz, dotiert mit 500€, geht an Hanna Laurisch mit ihrer Arbeit Verbunden. Die Fotos, collagiere, stammen aus einem großen Familienarchiv. Es sind persönliche, vergessene Geschichten. Sie hinterfragen die Rolle der Frau in der Ehe und als Mutter, die früher sehr viel eingeschränkter war und die Chancen auf  Bildung und Karriere stark beinträchtigt haben.

 

Foto als Waffe -Preis

1. Preis

Der erste Preis in der Kategorie Foto geht an Ludwig Nikulski und Robin Hinsch. Beide erhalten jeweils ein Preisgeld von 1.500€.

Another Sunny Day lautet der Titel der Fotoserie von Ludwig Nikulski. Sie zeigt Bilder aus Polen entlang der Grenze zur Ukraine. Eine bedrückende Atmosphäre umgibt die eigentlich idyllischen Orte dieser Gegend. Der Krieg ist irgendwie da und trotzdem gewohnt weit weg. Alltag und Ausnahmesituation treffen sich hier. Es sind Orte, an denen der Krieg scheinbar vorbeigeht, Orte an denen die Welt noch in Ordnung sein könnte, sie es aber trotzdem nicht ist.

Die Arbeit Wahala von Robin Hinsch entlarvt die Ausbeutungsmechanismen, die hinter der Gewinnung fossiler Brennstoffe stehen und visualisiert, dass es keinen
prinzipiellen Unterschied zwischen der Zerstörung der Umwelt und der Gewalt gegen Menschen gibt. Fotografiert in geopferten Zonen, an Orten, wo langfristige Schäden an Umwelt und Menschen in Kauf genommen werden, weil sie an anderer Stelle Profite ermöglichen, entlarven sie das Versprechen des immerwährenden Wachstums.

2. Preis

Der zweite Platz und 1.200 € Preisgeld gehen an Jay Ritchie. irgendwo mit mir beschäftigt sich mit fotografisch-performativer, feministischer Selbstbehauptung und rückt schambesetzten Themen in den Mittelpunkt, die noch immer die Erfahrungswelt vieler FLINTA* prägen und dem Selbstverständnis vieler männlich gelesenen Personen entspringen. Es werden verstörende, direkte und poetische Fotografien mit Texten kombiniert, um gesellschaftliche Tatsachen zu thematisieren, die in der Regel
immer noch verschwiegen werden.

3. Preis

Der geplante und bisher nur teilweise realisierte Ausbau der Stadtautobahn A100 in Berlin kostet 218.000€ pro versiegeltem Meter. Er zerschneidet Kieze, zwingt Bewohner*innen zum Auszug und gefährdet durch Lärm- und Luftverschmutzung die Gesundheit. Viele, die unmittelbar an ihr wohnen, teilweise ohne Lärmisolierung, besitzen noch nicht mal ein Auto. Die Serie Side by Side zeigt, wie sich Anwohner*innen und städtische Natur nach Jahrzehnten an den geteerten Fluss angepasst haben und in einer aufgezwungenen Koexistenz mit der Trasse leben. Nach über 50 Jahren resigniert man schlussendlich, wenn die Erschütterung der vorbeiziehenden LKWs das Gartentor zum Klappern bringt. Anton Röntz erhält für seine Fotoserie Preisgeld von 800€.

Erobert den Film -Preis

1. Preis

Den geteilten ersten Preis in der Kategorie Film sowie Preisgeld von 1.500€ erhalten Veneta Androva und das Duo Jakob Krese und Danilo do Carmo.

In dem Film AIVA inszenierte sich Veneta Androva selbst als weiblich codierte und durch künstliche Intelligenz gesteuerte Künstlerin. Der Erfinder der Roboter-Künstlerin, ihr Galerist, verspricht, dass AIVAs Algorithmen tatsächlich ein kreatives Potenzial entfalten und schöpferische Eigenschaften aufweisen. Sie ist eine Versuchsanordnung, um weibliches Genie zu generieren. Angesichts der systematischen Ungleichbehandlung von Frauen in der Kunstwelt und des historischen Mythos des männlichen Genies wirft AIVA schmerzhaften Fragen nach dem Status des weiblichen Genies auf. Überholte Rollenmuster werden zementiert und Stereotype von Weiblichkeit wie Unterwürfigkeit und Verfügbarkeit fortgeschrieben. Sei es Siri, Alexa, Cortana, Samantha oder AIVA: Sie sind alle stets zu unseren Diensten – ohne
Widerworte.

(Veneta Androva, AIVA, 0:56 min, Trailer)

 

La espera, ein Film von Jakob Krese und Danilo do Carmo, bildet eine staubige Fläche zwischen Eisenbahn und Straße ab. Ein paar Lagerfeuer, vereinzelte Gruppen von Menschen, stille Bilder und eindringliche Gesprächsfragmente lenken den Blick auf den Mikrokosmos persönlicher Schicksale innerhalb des Weltgeschehens. Das, was immer abstrakt zu bleiben droht, ist plötzlich ganz nah.

(Jakob Krese und Danilo do Carmo, La espera, 0:56 min, Trailer)

2. Preis

Einen ebenso geteilten zweiten Platz haben das Team Juli Wycisk und Susanne Wilk sowie Marian Mayland errungen. Das Preisgeld beträgt 1.000€

In Pracownica sammelt Juli Wycisk intime Geschichten aus dem Leben von fünf Frauen, die ihr ganzes Leben neben der alten Zeche Centrum in der ehemaligen Kohlehochburg Bytom (Polen) verbracht haben. Zusammenkünfte bei der Schneiderin Olla Pilsyk eröffnen eine Reise durch den Block: Pani Srocka, die ehemalige Bergarbeiterin und ihre Tochter Danuscha, die gemeinsam leben und sich unterstützen. Jaga zieht an ihrer dünnen Zigarette und erzählt wie sie Operationsinstrumente im lokalen Krankenhaus sterilisiert, während Jadzia beruhigend mit ihrem tropischen Vogel spricht. Sie teilen sich nicht nur den Ausblick auf das Zechenrad, sondern ein Leben, dass maßgeblich durch die Kohle und die An- oder Abwesenheit ihrer Männer definiert wurden. Pracownica erzählt, wie es den Arbeiterinnen trotzdem gelang, Freiräume zu bewahren, die nur ihnen ganz persönlich gehören.

(Julia Wycisk, Pracownica, 0:56 min, Trailer)

 

Lamarck ist ein autodokumentarisches Kurzfilmprojekt von Marian Mayland, dass sich mit der sozialen Reproduktion von Geschlechterrollen und mentaler Gesundheit beschäftigt. Über einen Zeitraum von mehreren Monaten habe führte Marian Interviews mit der Herkunftsfamilie. Vor allem die Eltern blicken zurück: auf ein Leben in ständiger Bedrohung durch die atomare Vernichtung, auf die Zwänge und starren Strukturen eines Lebens in der katholischen Kleinstadt, auf unter den Teppich gekehrte psychische Probleme. Sie berichten von einem liebevollen Leben trotz allem, und von den tiefen Furchen, die es produzierte.

(Marian Mayland, Lamarck, 1:18 min, Trailer)