Deutschland ein Wintermärchen

17. Januar 2024

Mit montage_16 präsentierte das Münzenbergforum 2016 eine Heartfield/Grosz-Ausstellung, in deren erstem Raum der Nachbau der ersten DADA-Ausstellung der beiden Künstler zu sehen war. In deren Zentrum, eingerahmt von zwei Installation, ein Reprint in Originalmaßen von Grosz` `Deutschland ein Wintermärchen`. Das `große Öl` (Grosz), das seit der Machtübernahme der Faschisten 1933 verschollen ist. Existent nur in einer colorierten Druckvorlage aus dem Hause Malik. Diesem Bild begegnen wir nun in der neuen Ausstellung im Grosz Museum erneut. Dieses Mal digital dekonstruiert und wieder montiert auf einem großen Bildschirm. Zum Vorschein kommt, dass auch dieses Gemälde ganz von der Methode geprägt ist, die Grosz und Heartfield in der Selbstbeschreibung im Mai 1916, frühmorgens gegen 5 Uhr, als Photomontage erfanden. Die Figuren und andere Versatzstücke des Bildes finden sich vielfältig und variiert wieder in den im ersten Teil von der Akademie der Künste, die die Ausstellung auch kuratierte, und Sammler:innen zusammengestellten Ausstellungsstücken aus der Zeit bis 1933. Diese zeigen den politischen Kommentator der gesellschaftlichen Verhältnisse der Restauration nach dem I. Weltkrieg und der Weimarer Republik in seiner ganzen, satirischen Weitsichtigkeit und Bissigkeit.

Im größeren, zweiten Teil widmet sich die Ausstellung den weit weniger bekannten Collagen aus seiner amerikanischen Zeit. Hier zeigt sich der Fundus der Akademie, die über einen großen Teil des Nachlasses von Grosz verfügt, als großer Glücksumstand. Verfügt dieser nicht nur über eine Vielzahl von Arbeiten, die teilweise den Eindruck des noch in Produktion befindlichen vermitteln, sondern liefert auch einen nachhaltigen Eindruck von der Grosz`schen Arbeitsweise. Highlight ist hier sicher ein im Original ausgestelltes `Texture-Book`. Eines jener Arbeitsmaterialien, die der Künstler zur Sammlung seiner zuvor sorgsam aus – nun schon aus bunten Zeitschriften ausgeschnittenen – pieces nutzte und die so heute selbst eine Collage sind. Da sich das Blättern im Buch aus Sicherheits- und restauratorischen Gründen verbietet, haben die Macher:innen es digitalisiert und ermöglichen dieses so auf einem neben dem Buch stehenden Bildschirm. Und nun lässt sich auch die – im Übrigen am FMP1 entwickelte und produzierte – Ausstellungsgestaltung besser verstehen. Die vielen kleinen Schnipsel, die die Wände über und unter den ausgestellten Werken zieren. Diese ironisieren und persiflieren die nun in Farbe sichtbare, damals schon übervöllernde Konsumwelt der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft. Und die gewählten Hauptfarben der Ausstellung findet die Besucher:in bei genauem Hinschauen im eingangs benannten Wintermärchen wieder. So schließt sich der Kreis von Süderende, dem ersten gemeinsamen Atelier von Grosz und Heartfield, bis Huntington bei New York. Und es zeigt sich, dass Grosz auch in der Collage der politische Künstler blieb, der keinen Frieden in der Welt erkennen konnte und diesen Zustand mit seinen kleinen Schnipseln ironisch bis sarkastisch und illusionslos bekämpfte. Wer noch mehr erfahren will, muss zum – auch am FMP1 gestalteten – Katalog greifen und findet nicht nur die Bilder der Ausstellung wieder, sondern darüber hinaus lesenswerte, erhellende Texte.

Die Ausstellung in Das Kleine Grosz Museum ist bis 03. Juni von Donnerstag bis Montag, 11 bis 18 Uhr, geöffnet. Der Eintritt kostet 10 €. Der Katalog kann am FMP1 im Cafè Babett und online über den nd-shop zum Preis von 35 € erworben werden.