Anekdoten zur Verlagsgeschichte – Verbrennt mich!

08. Mai 2017
Bundesarchiv, Bild 102-14597

1933: Am 10. Mai werden im ganzen Reich Bücher verbrannt.

Wolfgang Herrman, Berliner Bibliothekar, arbeitet seit langem an einer schwarzen Liste an Literatur, die ausgesondert werden soll. Die Deutsche Studentenschaft nutzt diese für ihre „Aktion wider den undeutschen Geist“ und verbrennt sozialistische, kommunistische und vermeintlich jüdische Literatur, etwa die Bücher von Erich Kästner, Klaus und Heinrich Mann, Ernest Hemingway und Maria Leitner.

Im freiwilligen Exil in Wien muss der Autor Oskar Maria Graf feststellen, dass seine Bücher nicht verbrannt wurden. Stattdessen wurde er sogar auf der „Weißen Liste des neuen Deutschlands“ geführt und seine Bücher zur Lektüre ausdrücklich empfohlen. Empört veröffentlicht er am 12. Mai einen Aufruf in der Wiener Arbeiter-Zeitung, in der er explizit dazu aufruft, seine Bücher zu verbrennen.

„Wie fast alle links gerichteten, entschieden sozialistischen Geistigen in Deutschland, habe auch ich etliche Segnungen des neuen Regimes zu spüren bekommen: Während meiner zufälligen Abwesenheit aus München erschien die Polizei in meiner dortigen Wohnung, um mich zu verhaften. […] Ich habe also mein Heim, meine Arbeit und – was vielleicht am schlimmsten ist – die heimatliche Erde verlassen müssen, um dem Konzentrationslager zu entgehen. […]

Und die Vertreter dieses barbarischen Nationalismus […] unterstehen sich, mich als einen ihrer „Geistigen“ zu beanspruchen, mich auf ihre sogenannte weiße Liste zu setzen, die vor dem Weltgewissen nur eine schwarze Liste sein kann!

Diese Unehre habe ich nicht verdient! […] Verbrennt die Werke des deutschen Geistes! Er selber wird unauslöschlich sein, wie eure Schmach!“

Die europäische Presse druckte den Aufruf vielfach nach. Die NS-Führung wiederum revidierte ihren Vermerk, ließ 1934 eine eigene Bücherverbrennung für die Werke Grafs ansetzen und bürgerte ihn mit der zweiten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs aus.

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