Das SS-„Leitheft Emigrantenpresse und Schrifttum“

01. März 1937
chronik  

Aber auch das Reichssicherheitshauptamt und damit der Sicherheitsdienst der SS und die Gestapo waren gut über die deutsche Emigration und deren Publikationen informiert. Davon zeugt das vom Reichsführer-SS herausgegebene „Leitheft Emigrantenpresse und Schrifttum“ vom März 1937. Hier soll nur interessieren, dass im „Leitheft“, das ansonsten auch aus heutiger Sicht erstaunlich genau zwischen Befürwortern und Ablehnenden der Volksfrontpolitik unterscheidet, Münzenberg als die zentrale Persönlichkeit der publizistischen und literarischen Emigration gesehen wird. Abgesehen davon, dass nur er und Wilhelm Pieck als Funktionäre der KPD genannt werden, wird sogar vermutet, dass es ihm, aus dem Hintergrund agierend, gelungen sei, einen Großteil der Emigrantenliteratur auf eine neue, qualitativ höhere Stufe zu heben, denn „Münzen-berg, der die gesamte Presse der KPD aufzog und den Kommunismus in Deutschland weitgehend finanzierte, verstand sich von früh an aufs Organisieren…“ (Der Reichsführer-SS, Leitheft Emigrantenpresse und Schrifttum, März 1937, S. 20). Münzenberg habe eine zweite Etappe im Emigrantenschrifttum eingeleitet; sei die erste hysterisch, primitiv und voller dümmster Lügen gewesen, so wird die zweite wie folgt charakterisiert: „Je mehr die fanatischen, auf jegliche Beweisführung selbst primitivster Art verzichtenden Schriften als blosse Hetze erkannt wurden, desto kürzer drohten die namhaften Anfangserfolge zu werden, desto mehr machte sich ein Übergang zu objektiver wirkenden Methoden notwendig und bemerkbar. Mit Schriften, die sich scheinbar kühl gaben, wurde nun auch auf die Schichten der Gebildeten im Ausland Einfluss genommen.“ (ebenda, S. 21) Mit diesen Sätzen sind, so merkwürdig das auch klingen mag, genau die Intentionen Münzenbergs gekennzeichnet worden, denen zufolge man sich auf eine jahrelange Herrschaft des Nationalsozialismus einrichten müsse und der, so kann man aus seinem berühmten, von der KPD dann so heftig kritisierten Buch „Propaganda als Waffe“ ablesen, die Beachtung der sträflich vernachlässigten Massenpsychologie anmahnte. Münzenberg muss schnell die Dimension der Katastrophe erkannt haben, die die deutsche Arbeiterbewegung 1933 erlitten hatte, aber auch die Absurdität der vollmundigen Erklärungen der KPD und der Komintern, die Politik der KPD sei bis 1933 völlig richtig gewesen. Sicher schwieg er aus Parteidisziplin zunächst noch, aber etwas fällt in der Retrospektive auf: In der Buchproduktion seiner Verlage setzte er verstärkt das fort, was er schon in der Weimarer Republik, und hier vor allem in der Universum Bücherei praktiziert hatte, nämlich bürgerliche Schriftsteller zu Wort kommen zu lassen. Damit unterschieden sich die von ihm geführten Unternehmen von anderen kommunistischen Verlagen, wobei er, so weit das in seiner Macht stand, darauf achtete, dass die Interessen und inneren Belange der jeweiligen Gastländer nicht berührt wurden. Auch für die Buchverlage kann wohl gelten, was das „Leitheft“ über die kommunistische Presse dachte: „Für die kommunistische Emigrantenpresse ist insgesamt die zielbewußte Regie Münzenbergs anzunehmen. Als Geldquelle kommt in der Hauptsache die Komintern in Frage. Die Verbreitung der kommunistischen Emigrantenpresse ist groß. Es wird auf die hinter ihr stehende politische Macht zurückzuführen sein, dass die kommunistische Emigrantenpresse von den in der letzten Zeit erfolgten Verboten weit weniger als die Presse anderer marxistischer Gruppen und der Strasser-Richtung betroffen wurde.“ (ebenda, S. 36 – 37).

 

Willi Münzenbergs Buchverlage im Exil. Die erfolgreichsten Verlage der Emigration.

Beiträger: Werner Abel, Esther Winkelmann, Raimund Waligora