„Das braune Netz“: Als Whistleblower gegen die NS-Spionage

01. Januar 1935
chronik  

Die Nazis waren über die Emigration im Allgemeinen gut informiert. Vor allem deren Publikationen verfolgten sie mit Argusaugen, wobei es manchmal nicht schwer war, deren Herkunft schon im Entstehen zu kennen. Denn eigentlich illegal gedachte Herstellungs- und Vertriebsstrukturen hatten oft sträfliche Schwachstellen. So erinnerte sich der Publizist Fritz Beer, der in der Tschechoslowakei an der AIZ mitar-beitete, an sein Erschrecken, als er in einer kommerziellen Druckerei in Karlín, einem Stadtviertel von Prag, durch einen Zufall entdeckte, dass die für den illegalen Transport nach Deutschland bestimmten Miniaturausgaben der AIZ und des „Gegenangriffs“ dort offen und ohne Sicherheitsmaßnahmen hergestellt wurden. (vgl. Beer, Fritz, Hast Du auf Deutsche geschossen, Grandpa? Berlin 1992, S. 327-328). Dabei hatte Münzenbergs Verlag, die „Éditions du Carrefour“ mit einem weiteren Enthüllungsbuch für Aufsehen gesorgt, mit dem vor der Auslandsspionage Hitler-Deutschlands und auch der Bespitzelung der Emigranten durch deren Agenten gewarnt wurde. 1935 erschien, anonym verfasst und versehen mit einem Vorwort des Mitglieds des Oberhauses und Labour-Politikers Lord Listowel („Das braune Netz. Wie Hitlers Agenten im Ausland arbeiten und den Krieg vorbereiten“). Auch von diesem Buch gab es Übersetzungen in andere Sprachen, die tschechische Polizei nutzte es bei der Verfolgung von nationalsozialistischen Aktivitäten in der ČSR. Verblüffend ist aus heutiger Sicht, über wie viele Informationen über die Gestapo- und andere Nazi-Netze in Europa und Amerika die oder der Verfasser zu dieser Zeit verfügten. So sind z.B. im Buch nicht nur lange Listen von nationalsozialistischen Funktionären im Ausland, sondern vor allem auch von Spitzeln gedruckt, die versuchten, unter falscher Identität in Emigrantenkreise einzudringen.

 

Willi Münzenbergs Buchverlage im Exil. Die erfolgreichsten Verlage der Emigration.

Beiträger: Werner Abel, Esther Winkelmann, Raimund Waligora