Willi Münzenberg erklärt seinen Austritt aus der KPD

10. März 1939
chronik  

Zukunft LogoParis: MÜNZENBERG erwähnt verschiedene Auffassungen über aktuelle politisch-strategische Fragen. Er geißelt das Demokratiedefizit und den sozialistischen Zielen entgegenstehenden Dünkel des bürokratischen Apparats von VKP (b), Komintern und KPD. Seine ausführliche Austrittserklärung veröffentlicht er in Die Zukunft:

„Ich trenne mich schwer von einer Organisation, die ich mitgegründet und mitgeschaffen habe. Nach einem zweijährigen Konflikt mit der heutigen Leitung der Kommunistischen Partei, wegen entscheidender politischer und taktischer Probleme u.a. mit der Zielsetzung der Partei, in den Fragen der Einheitsfront mit sozialistischen Genossen, der Volksfrontpolitik, in den Methoden der Propaganda, den Grundbegriffen der innerparteilichen Demokratie und in der Auffassung über das Verhältnis der Partei zu dem einzelnen Mitglied mußte ich erkennen, daß eine Lösung dieser Fragen innerhalb der heutigen Parteiorganisation, eine Wiederholung der elementaren Mitgliederrechte und die Aufnahme einer Politik, die den Veränderungen seit 1933 Rechnung trägt, unmöglich ist.“

Zu den neuen Aufgaben gehöre die „Schaffung einer nach allen Seiten unabhängigen Einheitspartei.“ Das habe Bedeutung weit über die Grenzen Deutschlands hinaus und würde helfen, „neue internationale Aktionen und die Bestrebungen zur Schaffung einer neuen internationalen Einheit zu fördern.“ Dafür aber seien Individuen entscheidend, der einzelne Mensch.

Die neue Partei müsse sich zu den „Grundprinzipien der klassischen Arbeiterbewegung bekennen, zu der Unverletzlichkeit und Unantastbarkeit der innerparteilichen Demokratie und des Mitbestimmungsrechts aller Mitglieder.“ Denn mit „reglementierten, kommandierten und schikanierten toten Seelen ist der revolutionäre Krieg nicht zu gewinnen.“ Das Parteileben der KPD würde durch einen bürokratischen Apparat und eine Leitung beherrscht, „die sich trotz aller Niederlagen seit 1933 unfehlbar und unersetzbar dünkt.“

MÜNZENBERG versprach in dieser Austrittserklärung: „Ich werde fortfahren, wie bisher, mit allen mir zur Verfügung stehenden Kräften für die Schaffung einer großen, umfassenden Einheitspartei und für die Entfachung einer breiten, mächtigen Völksbewegung tätig zu sein, die stark genug ist, das Hitlersystem zu stürzen und ein neues Deutschland zu schaffen. Und so behalte ich den Platz, den ich seit 1906 neben Karl Liebknecht, später neben Rosa Luxemburg, Klara Zetkin und 1915 neben Lenin gewählt habe, den Platz in den Kampfesreihen des revolutionären Sozialismus.“