Was sind das für Zeiten? – Grosz, Brecht & Piscator
Ende 1927 beginnen die Arbeiten zu einer bis ins Heute nachhallenden Theaterinszenierung an den Piscator-Bühnen am Nollendorfplatz. Neben Erwin Piscator gehören zu den sich als Kollektiv begreifenden Bertolt Brecht, Felix Gasbarra, Leo Lania, George Grosz, Edmund Meisel u.a. Es entsteht ein dramatisierte Form des Romans des tschechischen Autors Jaroslaw Hasek `Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk`, multimedial in Film und Projektion mit hunderten Zeichnungen von Grosz und Geräuschmusik von Edmund Meisel auf eine Laufband-Bühne gebracht. Premiere ist am 23.01.1928. `Was sind das (schon) für Zeiten?`, in denen die anschließend in einer Mappe veröffentlichte Auswahl antimilitaristischer Zeichnungen Grosz` zur Inszenierung einen mehrjährigen Prozess zur Kunstfreiheit nach sich zieht.
Fast auf den Tag fünf Jahre später müssen die drei Protagonisten – Grosz, Brecht und Piscator – Deutschland verlassen. Und wieder stellt sich die selbe Frage. Noch wenige Wochen zuvor gibt Brecht seine Versuche 14, `Die drei Soldaten`- ein Kinderbuch mit Zeichnungen George Grosz in Druck. Ihre Auslieferung ist in den Wochen der Machergreifung der Faschisten nicht mehr möglich.
Auf seinen Wegen im Exil fasst Brecht die Frage in seinem Gedicht `An die Nachgeborenen`. Die Verbindung zum seit Mitte der zwanziger Jahre bestehende Kontakt zum `Gefährten glücklicher Zeiten` Grosz reißt auch in dieser Zeit nicht ab und wird vom Herrn der Strohhütten (Brecht) an den Herrn der Wolkenkratzer und von diesem zurück immer wieder postalisch gestellt. Erst 1940 ist ein Wiedersehen in den USA möglich. Auch Piscator führt der Weg letztlich in dieses Land.
Allein die Frage stellt auch dort sich nach 1945 immer wieder. Als es um den Umgang mit den Folgen von Krieg und Faschismus, dem Stalinschen Verrat an der sie verbindenden Idee und auch als ihnen in den USA Untersuchungen zu ihrem `unamerikanischen Verhalten` einsetzen.
Auch wenn sich die Wege zurück nach Deutschland trennen – Brecht geht 1949 in den Osten, Piscator später in dessen Westen und Grosz kehrt erst 1959 in den West-Teil seiner Geburtsstadt Berlin zurück – bleibt der Kontakt.
DAS KLEINE GROSZ MUSEUM widmet die Ausstellung nicht nur dem Kulminationspunkt der Zusammenarbeit an der Schwejkschen-Inszenierung, sondern zeigt die Arbeiten zu den `Drei Soldaten` und in einem eigenen `Böff und Bertie` benannten Kapitel die engen Beziehungen zwischen Brecht und Grosz über einen Zeitraum von dreißig Jahren. So zeigt sich, dass `die Zeichnungen des George Grosz und die Stücke des Brecht`.. `nicht als die Werke böser Menschen` anzusehen, sondern die `Darstellungen einer bösen Welt` sind und `ihre Werke … die allgemeine Zersetzung der Moral und der alten Institutionen zeigten.` (Bertolt Brecht Schriften zum Theater) Darin waren sich bb und GG über Jahrzehnte unter wechselnden Bedingungen und, der Zeiten wegen, wechselnden Orten mit Humor, auch über unterschiedliche Auffassungen hinweg in Freundschaft verbunden. Was bleibt, ist der Genuss, dass sie `den Fäusten der Zuschauer (und Betrachter) eine neue Brauchbarkeit` verliehen, `bei der Arbeit und anderswo.` (ebenda) Was sind das für Zeiten?!
Vom 04.07.2024 bis 25.11.2024 ist in DAS KLEINE GROSZ MUSEUM diese fünfte Ausstellung zu sehen. Das Münzenberg Forum hat mit Recherchen, Texten und den vielfältigen technischen Mitteln des FMP1 diese Ausstellung und den dazu publizierten Katalog inhaltlich und gestalterisch mitkonzipiert und umgesetzt.
Die Ausstellung ist begleitet von Veranstaltungen an unterschiedlichen Orten dieser Stadt, davon drei am FMP1.
- 19.09.2024,19.00h, Wer sind sie denn eigentlich, Herr Gasbarra am FMP1
- 26.09.2024, 20.00h, Gefährte glücklicher Zeiten, der Briefwechsel von GG und bb, Lesung am Berliner Ensemble
- 10.10.2024, 19.00h, Felix Weil und Karl Korsch am FMP1
- 31.10.2024, 18.30h, Literatur am Fasanenplatz in der Galerie Friese
- 22.11.2024, 19.00h, 100 Jahre Roter Rummel am FMP1