Die Antikomintern und die NS-Kampagne gegen Münzenberg

12. September 1933
chronik  

Die Braunbuchkampagne hatte ihre Wirkung nicht nur bei antifaschistisch Gesinnten weltweit, sondern wirkte auch nach Deutschland hinein: Die Nationalsozialisten, wütend darüber, dass es ihnen nicht gelungen war, den verhassten Münzenberg durch eine Festnahme an der Fortsetzung seiner antifaschistischen Tätigkeit zu hindern, reagierten mit außergewöhnlicher Schärfe. Er gehörte zu den 8 Kommunisten unter den 33 Personen der sogenannten Ersten Ausbürgerungsliste vom 23.8.1933, denen die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt wurde. Auch propagandistisch zogen die Nazis alle Register. Mit einem Bild Willi Münzenbergs und unter der knalligen Überschrift „Der Pestherd des kommunistischen Untermenschentums“ schrieb der „Völkische Beobachter“ am 3.4.1933: „Die Anführer bringen sich in Sicherheit, während die Mitglieder für die <Weltrevolution> mißbraucht werden…Kaum waren von der Regierung Hitler die ersten Maßnahmen gegen die kommunistischen Umsturzvorbereitungen getroffen und die ersten Verhaftungen vorgenommen worden, da packten schon die Führer der K.P.D. die Koffer um sofort ins Ausland zu fliehen. Jenes lichtscheue Gesindel, die Hetzer der bisher sogar noch polizeilich geschützten K.P.D.-Versammlungen und die jüdischen Revolverjournalisten, ließ auch jetzt wieder den genarrten Arbeiter in Stich.“ Und mit Bezugnahme auf Münzenberg: „Heute sitzt dieser Lump irgendwo im Ausland und beobachtet von sicherer Entfernung die weitere Entwicklung in Deutschland. Gebt diesem gemeinen Verräter am 5. März die Antwort. Jeder ehrliche deutsche Arbeiter wählt Hitler, Liste 1.“ Völkischer Beobachter, 5./6.3. 1933

Um den nach dem Reichstagsbrand verschärft einsetzenden Terror der Nazis zu legitimieren und um die Wirkung des Braunbuchs zu neutralisieren, lud der „Gesamtverband deutscher antikommunistischer Verbände“, kurz „Antikomintern“, am 12. 9.1933 die Auslandspresse ein und stellte das Buch „Bewaffneter Aufstand.

Der bewaffnete AufstandEnthüllungen über den kommunistischen Umsturzversuch am Vorabend der nationalen Revolution“ vor. Dieses Buch, verfasst vom Vorsitzenden des Verbandes, Dr. Adolf Ehrt, wurde in der ersten Ausgabe, eine zweite folgte 1934, mit der für diese Zeit schwindelerregenden Zahl von 250 000 Exemplaren in die Öffentlichkeit gebracht. Es muss im Augenblick offen bleiben, ob die genannte Auflagenhöhe auch die englischen, französischen, spanischen und holländischen (nur diese sind den Verfassern bekannt) Ausgaben mit einschließt. In der Struktur und Argumentation lehnt sich das Buch – gewollt? – eng an das „Braunbuch“ an, und vielleicht auch aus diesem Grunde wurde Münzenberg zu einer der zentralen Figuren der kommunistischen Umsturzvorbereitungen erklärt. Obwohl das Buch natürlich auch auf eine Unmenge „zersetzender Literatur“ hinwies, stellte man diesbezüglich keinen Bezug zu Münzenberg her. Das wäre im Ausland wohl als eher harmlos aufgenommen worden. Die besondere Rolle, die sich Ehrt und Mitarbeiter für Münzenberg ausgedacht hatten, war die des geheimdienstlich arbeitenden Planers und Organisators des Umsturzes. Natürlich waren die Nazis, vor allem nach der Besetzung des Karl-Liebknecht-Hauses, also der KPD-Zentrale, und dem Ausheben geheimer Büros, gut informiert, auch über die klandestinen Strukturen der KPD; das aber, was in dem Buch über Münzenberg steht, zielte offensichtlich nur darauf ab, ihn international zu diskreditieren. Nachdem Ehrt darüber berichtete, dass mit der Bildung spezieller Organisations-, Schutz- und Nachrichtenabteilungen in der KPD eine illegale Parteistruktur geschaffen worden war (im Buch OSNA), ist über einem Bild von Münzenberg folgendes zu lesen:

 

„Parallel zum illegalen Parteiapparat wurde schließlich als schärfste politische Kampfwaffe der sogenannte Am-Apparat aufgebaut (AM _ antimilitärisch); früher galt auch die Bezeichnung M-Apparat oder auch GK, d.h. Gemischte Kommission. Die Bedeutung des Am-Apparates geht schon daraus hervor, dass die Reichsleitung in der Hand von M ü n z e n b e r g und S c h n e l l e r lag, während der mutmaßliche Kopfleiter des illegalen Parteiapparates K i p p e n b e r g e r offenbar beratend hinzugezogen wurde.“ (Ehrt, Adolf Bewaffneter Aufstand, Berlin-Leipzig 1933, S. 52-53)

Obwohl grundfalsch, klingt das an sich noch harmlos. Richtig zur Sache, und hier wird der Rufmord evident, geht es erst auf den folgenden Seiten. Ehrt analysierte ein angeblich im Liebknecht-Haus gefundenes Dokument über die Rolle des Nachrichtendienstes während und nach dem kommunistischen Aufstand und zog daraus folgenden Schluss, der, so hoffte man sicher, in der westlichen Welt auf ein gewisses Verständnis stoßen würde:

 

„Mit voller Offenheit wird davon gesprochen, dass alle Mittel, d.h. auch F o l t e r u n d M o r d i m M a s s e n m a ß s t a b anzuwenden seien. Als Belohnung für die Henkersarbeit wird der stationäre Nachrichtendienst am Tage nach der Eroberung der Macht zur Tscheka ernannt, deren unmenschliche Grausamkeit aus dem russischen Beispiel geschichtlich feststeht“. (ebenda, S. 55-56)

 

Die weitere Argumentation Ehrts läuft zusammengefasst darauf hinaus, dass das alles nur das Wetterleuchten der bolschewistischen Revolution gewesen sei, die Lawine aber, die die deutsche Nation zerschmettern sollte, sei aufgehalten worden. Aber der Tschekisten-Führer Münzenberg habe sich ins Ausland absetzen und von dort aus seine Wühlarbeit an der Spitze einer Renegatenclique gegen die nationale Revolution in Deutschland fortsetzen können. Diese Wühlarbeit werde aber auch vor den Ländern, die ihm Zuflucht gewähren, nicht Halt machen. Da aber die-se Länder, vor allem die westlichen Demokratien, auch nicht eben die Freunde des neuen, des nationalsozialistischen Deutschlands waren, betrachteten die Nazis die Emigranten als potentielle Feinde, die man überwachen und gegebenenfalls „unschädlich“ machen musste. Wenn Mord und Entführung nicht möglich waren oder scheiterten, dann wenigstens durch Rufmord.

 

Willi Münzenbergs Buchverlage im Exil. Die erfolgreichsten Verlage der Emigration.

Beiträger: Werner Abel, Esther Winkelmann, Raimund Waligora