Der erfolgreichste Buchverlag in der Emigration

01. Januar 1937
chronik  

Abgesehen davon, dass Münzenbergs Zeitschriften wie der „Gegenangriff“, die „Arbeiter Illustrierte Zeitung“ (in der Emigration dann in „Volksil-lustrierte“ umbenannt) und für eine begrenzte Zeit die „Neue Zeit“ (die Nachfolgerin von „Der Rote Aufbau“) wichtiger Bestandteil der Emigranten-presse waren, so müssen seine Buchverlage zumindest bis 1937 zu den erfolgreichsten in diesem Milieu gezählt werden. Das soll die Leistungen anderer Verlage nicht geringschätzen, die als im Ausland schon lange existierende Unternehmen den emigrierten Schriftstellern und Politikern eine Tribüne gaben, wie z.B. Oprecht & Helbling oder den „Europa Verlag“ in der Schweiz, die den deutschen Sozialdemokraten in der ČSR gehörende Verlagsanstalt „Graphia“ in Karlsbad und dem „Querido-Verlag in Amsterdam, oder um Neu- und Ausgründungen wie „El Libro Libre“ in Mexiko, „Malik“ in Prag und dann London mit dem späteren Nachfolger „Aurora“ in New York oder dem Verlag Allert de Lange in Amsterdam. Und natürlich dürfen die sowjetischen Verlage nicht vergessen werden, die deutsche Literatur verlegten, allen voran die von 1931 bis 1938 bestehende Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR (VEGAAR) mit ihren fast 750 Titeln, die in vielen Fällen, so in der Titel-übernahme oder dem Austausch von Buchblöcken, mit den Münzenberg-Verlagen oder dem Malik-Verlag kooperierte. Und trotzdem kann keiner dieser Verlage, obwohl es sich vielfach um die Schriften inzwischen weltbekannter Autorinnen und Autoren handelt und sieht man von der Verfilmung von Anna Seghers‘ Buch “Das siebte Kreuz“, erschienen bei „El Libro Libre“ und verfilmt in den USA, ab, die spektakulären Erfolge der Éditions du Carrefour erreichen.

Die Éditions du Carrefour können beispielgebend dafür stehen, wie es Willi Münzenberg nach seiner Ankunft im März 1933 gelang, sofort die Anti-Nazi-Aktivitäten aufzunehmen und zu forcieren. Es war gelungen, finanzielle Mittel dem Zugriff der Nazis zu entziehen und ins Ausland zu transfe-rieren. Außerdem war Münzenberg, der von der Komintern mit der Organisation der Anti-Nazi-Propaganda beauftragt worden war, nicht mittellos, sondern konnte auf die Finanzen der Internationalen Arbeiterhilfe (IAH) und der Komintern zurückgreifen. Er war bekannt, hatte überall hin Verbindungen, vor allem auch zu nichtkommunistischen Intellektuellen, die schon in der antiimperialistischen und Friedensbewegung mit ihm zusammengearbeitet hatten. Seine verlegerische Tätigkeit wurde so geschätzt, dass in konzeptueller Anlehnung an seine im Neuen Deutschen Verlag herausgegebene AIZ in Frankreich zwei illustrierte Zeitschriften gegründet worden waren, 1928 von Lucien Vogel die „VU“ und 1931 von der KP Frankreich die „Regards“. Obwohl Funktionär der KPD, war Münzenberg auch durch seine exponierte Stellung in der Komintern in einmaliger und gewisser Weise unabhängig von der Partei. Das ermöglichte ihm auch immer wieder, unkonventionelle und der Partei oft suspekte Wege zu gehen. Dies bedeutete nicht, dass Münzenberg, modern ausgedrückt, ein Dissident gewesen wäre, jedenfalls nicht in den ersten Jahren des Exils. Was er tat, geschah im Interesse der Sache. Es muss eine schmerzliche Erkenntnis für ihn gewesen sein, dass sein Handeln immer weniger auch im Interesse der Sowjetunion und Stalins war.

Durch die Vermittlung von Paul Nizan, damals noch Mitglied des PCF und Redakteur der L‘ Humanité, und Paul Vaillant-Couturier, dem Schriftsteller, Journalisten und Mitglied des ZK des PCF, dessen Motto „Die Intelligenz verteidigt den Frieden, die Intelligenz verabscheut den Krieg“ auch das Münzenbergs war, lernte er den Verleger Pierre G. Lévy kennen, dessen 1929 gegründeten, inzwischen aber kaum noch produzierenden Verlag „Éditions du Carrefour“ er dann übernehmen konnte. Mit einem qualifizierten Stab von Mitarbeitern, zu dem sein langjähriger Mitarbeiter Otto Katz (d.i. André Simone), seine Lebensgefährtin Babette Gross, Wilhelm Koenen, Alexander Abusch, Gustav Regler, Rudolf Fürth (d.i. Rudolf Feistmann), Max Schroeder, Arthur Koestler, Alfred Kantorowicz, Bodo Uhse, Bruno Frei und John Heartfield gehörten, konnte Münzenberg die Verlagsarbeit aufnehmen.

Willi Münzenbergs Buchverlage im Exil. Die erfolgreichsten Verlage der Emigration.

Beiträger: Werner Abel, Esther Winkelmann, Raimund Waligora